So schnell wie es gestern spätsommerlich wurde, so schnell ist das Wetter wieder umgeschlagen. Heute Nacht gegen 3 Uhr wurde es stürmisch. Der Wind pfiff und heulte schwallartig entlang der Hausecken und dann fing es an zu regnen, und zwar heftig. Dachziegel, Mülleimerdeckel und sonst alles, was lose war, klapperte unentwegt. Schlafen war also vorbei. Um 8 Uhr beim Frühstück war es noch dunkel und der Regen hatte nachgelassen. So dachte ich, mich hinauszuwagen. Ich wollte ohnehin erst noch zur Post in Portomarin bevor ich mein nächstes Ziel in Lestedo ansteuerte. Das ging dann auch für etwa eine Stunde ganz gut. Dann aber wurde es immer trüber, um nicht zu sagen wieder dunkel und der Regen intensivierte sich. Mein neuer Regenponcho kam voll auf seinen Kosten. Ich fühlte mich wie beim Tauchen mit Neoprenanzug. Der Wind peitschte den Regen ins Gesicht, so dass das Wasser öfter mal nicht von oben, sondern von vorne oder von der Seite kam: Horizontaler Regen! Es fehlte also meine Tauchermaske! Glücklicherweise ist der Jakobsweg hier in Spanien sehr gut ausgeschildert, so dass man keine Orientierungshilfe braucht, solange man nicht blind ist und die Schilder, Kilometersteine und Wegmarkierungen an jeder Weggabelung oder Kreuzung und auch auf gerader Strecke all paar hundert Meter übersieht.
Nach etwa 10 km hatte ich die Nase voll und kehrte ein: Casa García in Gonzar, Lugo. Der einzige Lichtblick war mein Zusammentreffen mit einem jungen Ehepaar aus der Nähe von Cancun, Mexico. Ich erzählte, dass ich vor etwa 20 Jahren erstmals in Cancun war. Ein Kavernen-Tauchkurs in den Cenotes von Yucatan hatte mich dorthin verschlagen. Außerdem, hatte ich dort Mérida und Chichén Itzá besucht. Was mich begeistert hatte, waren die dolinenartigen Kalksteinlöcher, die oben mit kühlem Regenwasser, also Süßwasser, gefüllt sind. Diese haben in etwa 2 bis 3 Metern Tiefe eine Phase wie in einem Glas mit Öl. Durch diese gerät man dann plötzlich in warmes Salzwasser das aus der Karibik kommt. Ich war so fasziniert, dass ich in den folgenden Jahren mehrmals zum Tauchen dort war. Diese Erfahrungen gehören zu dem Eindrucksvollsten, das ich in 50 Jahren Tauchen erlebt habe. Sergio ist auch ein begeisterter Taucher, zwar nicht zertifiziert, aber sein Bruder ist Profi und nimmt ihn öfter mit. Seine Frau Katalina konnte leider nicht so gut Englisch, aber als Mexikanerin braucht man das auch nicht in Spanien! Die Abstände zu den Pausen wurden immer kürzer. Dafür wurden die Pausen immer länger. Ich traf die beiden noch einmal im Meson Labrador in O Hospital, Lugo, wo wir uns fotografisch verewigen mussten. Der weitere Tag wurde, zumindest, was das Wetter anbelangt, nicht besser. Im Gegenteil, es wird kälter und Wind und Regen lassen nicht nach. Ich wickele mich jetzt in meine Bettdecke und hoffe auf morgen.