Lissabon, über 3000 Jahre bewegte Geschichte des Überlebens, gebeutelt und mehrfach zerstört und mit ungebrochener Anziehungskraft
Weiter führt mich mein Weg nach Lissabon am Tejo, der mit einer breiten Bucht dort in den Atlantik mündet. Das vorherrschende Stadtbild wird geprägt durch die schnell wiederaufgebauten Häuser in Fertigteilbauweise nach dem vernichtenden Erdbeben, Tsunami und Großfeuer von 1755. Sebastião José de Carvalho e Mello, damals Außenminister unter König Joseph I. von Portugal leitete sehr effizient einen schnellen Wiederaufbau unter Einführung städteplanerisch neuartiger, rechtwinklig angelegter Straßen, besonders im Bereich der Baixa und rund um die Rua Augusta. Er wurde deshalb später Erster Minister und führte als Marquês de Pombal Portugal von der traditionellen, klerikalen Politik des Mittelalters in den aufgeklärten Absolutismus der Moderne.
Mein Airbnb Apartment im 4. Obergeschoß einer modern renovierten Altbauwohnung bietet mir vom Minibalkon aus einen nicht enden wollenden Blick ins Tal auf den Stadtteil Estrela. Der erste Spaziergang geht in Richtung Baixa auf den Elevador de Santa Justa bzw. Elevador do Carmo, von dort durch die in maurischer Zeit entstandenen, verwinkelten Gässchen und Treppen der Alfama hinauf zur Igreja de São Tiago e São Martinho an der Ecke Rua de Santiago | Freguesia de Santa Maria Maior. Es ist der Ausgangspunkt des Caminho Português de Santiago, des portugiesischen Jakobsweges in Lissabon. Wie in Porto faszinieren mich die kleinen Straßenbahnen aus den 30er Jahren des letzten Jahrhunderts, die quietschend, klappernd und ratternd manchmal in engen und steilen Sträßchen über Schienen holpern, die schon lange nicht mehr eben sind und keine regelmäßige Biegung in Kurven für eine rumpelarme Fahrt aufweisen. An Weichen verliert die Straßenbahn planmäßig den Kontakt zur Oberleitung und hält. Dann steigt der Fahrer hinten aus und zieht den an einem isolierten Seil federnd ausgehängten Oberleitungskontakt ein Stück herunter um ihn etwas zur Seite unter den neuen Oberleitungsstrang zu platzieren, der um die Kurve führt. Dann begibt er sich wieder auf seinen Fahrersitz und fährt weiter. Ich komme aus dem Staunen nicht heraus. Mechanisch geführte Elektrizität. Eine seit 90 Jahren unveränderte Technik und sie funktioniert nach wie vor. Darüber hinaus gibt es die Standseilbahnen, die Ascensores de Lisboa heißen, also als Aufzüge gelten. Sie sehen aus wie kleine Straßenbahnen, haben aber nur zwei Haltestellen, nämlich oben und unten an belebten steilen Straßen bzw. Gässchen. Am nächsten Tag leiste ich mir eine Reiseführerin. Monika ist Düsseldorferin, hat dänisch-indische Wurzeln und lebt seit ca. 5 Jahren in Lissabon aus Leidenschaft. Volltreffer! Aus gebuchten drei Stunden werden acht. Monika ist ein wandelndes, sprechendes Lexikon über Lissabon und seine Geschichte, Architektur, Kunst und Kultur. Zuletzt besuche ich noch die Catedral Sé Patriarcal bzw. Igreja de Santa Maria Maior und lasse mich im dortigen Museum beeindrucken. In der Kathedrale darf ich auch fotografieren. Der Heimweg wird illustriert durch die vorweihnachtlich geschmückte Innenstadt, in der die vielen Menschen allerdings nicht so hektisch wirken, wie ich es aus Deutschland kenne.