Kurz vor dem 92. Geburtstag meiner Mutter erreichte mich in Deutschland eine E-Mail mit der Frage, ob ich für den geplanten Schiffsarzt-Einsatz Ende Oktober evtl. einige Tage früher einspringen könnte. Auf meine Zusage wurde mir angekündigt, am nächsten Tag die Reiseunterlagen zu erhalten. Ich ging davon aus, dass „einige Tage“ irgendwas zwischen drei und sechs Tagen bedeuten würde und ich wie geplant nach dem Geburtstag meiner Mutter zuerst nach Hause fliegen könnte. Ich wollte eigentlich noch einige Wochen auf meiner Insel verbringen. Daraus wurde jedoch nichts, weil zu meiner Überraschung das Flugticket den Tag nach dem Geburtstag meiner Mutter auswies. Das war einen Monat früher als geplant und damit fiel mein Urlaub zu Hause ins Wasser. In aller Eile musste ich noch paar Sachen für eine viermonatige Reise durch tropisch feuchtheiße Klimazonen und später auch die für Antarktis besorgen, einen zweiten Koffer kaufen und meine Impfungen komplettieren, insbesondere gegen Influenza und die neueste COVID-19 Omikron-Variante. Somit ging es am 28. September von Düsseldorf über Madrid nach Vigo in Galicien ins Hotel in der Nähe des Hafens. Am nächsten Morgen sah ich beim Frühstück die brandneue Scenic Eclipse II zum ersten Mal.
Abgesehen von wenigen Detailverbesserungen ist die Scenic Eclipse II genauso geschnitten und eingerichtet wie die Scenic Eclipse. Auch die Verfahren sind nahezu gleich. Daher erforderte die Übergabe durch den bisherigen Schiffsarzt nur wenig Zeit. Der konnte sich dann am selben Tag für den Flug nach Barcelona verabschieden, wo er die Schiffsärztin der Scenic Eclipse ablösen musste.
Abends ging es dann los und wir erreichen Lissabon am 1. Oktober bei herrlichem Wetter.
Es folgten drei See-Tage in Richtung Azoren. Der erste Haltepunkt war Ponta Delgada, die Hauptstadt der Azoren auf der größten Insel São Miguel. Da waren wir gerade mal 20 Flugminuten von meinem Zuhause entfernt.
Am 5. Oktober machten wir in Praia da Vitória auf der Azoren-Insel Terceira einen letzten Halt vor der transatlantischen Überfahrt. Ich nutze die Gelegenheit für einen Erkundungsspaziergang und letzte Einkäufe, zumal ich vorher noch nie auf Terceira war.
Sieben See-Tage und ein stürmischer Nordatlantik lagen vor uns. Wir verbrachten die Tage mit Training und Fortbildung. Natürlich hatten wir auch einige Seekranke zu betreuen. Vor allem bereiteten wir uns auf die Inspektionen der US Coast Guard und der US Public Health Behörden vor, die in Boston erwartungsgemäß am 12. Oktober anstanden.
Von dort fuhren wir nach Portland im Bundesstaat Maine. Unser Anlegeplatz war unmittelbar Downtown, so dass es kaum fünf Minuten brauchte, um vom Schiff in die Stadt zu laufen. Das schöne Wetter lud zu einem ausgedehnten Spaziergang ein.
Hiernach verließen wir die USA vorübergehend für einen Ausflug nach Bermuda. Auch in der dortigen Hauptstadt Hamilton konnten wir mit unmittelbarem Zugang zur Innenstadt anlegen. Das subtropisch/tropische Wetter war sehr angenehm, wenn man nicht in der prallen Sonne stand.
Spät am Abend legten wir ab, um nach St. George’s an das andere Ende von Bermuda zu fahren. Den nächsten Tag nutze die Mannschaft größtenteils für Ausflüge an den Strand. Tobacco Bay lud zu Musik, Cocktails und Snacks ein. Abends war Dinner im Whitehorse Restaurant angesagt. In der Nacht machten wir uns wieder auf den Weg.
Nach vier See-Tagen besuchten wir noch einmal die USA und machen zum ersten Mal in Miami fest. Miami ist eine globale Zentrale der Kreuzfahrtindustrie. Jede große Kreuzfahrt-Reederei hat dort eine Schwerpunkt-Repräsentanz, wenn nicht sogar ihren Hauptsitz. Zur Verabschiedung erwartete uns ein besonderes Spektakel der Hafenfeuerwehr.
Am 23. Oktober ging diese Kreuzfahrt in Nassau, Bahamas zu Ende, d.h. bisherige Gäste gehen, neue Gäste kommen, Crew wird teilweise ausgetauscht. Eigentlich sollte ich ursprünglich dort erst zusteigen. Durch die Notwendigkeit, früher einzuspringen, hatte ich nun schon fast einen Monat hinter mir.